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Tonraum Studio: Töpfern in der offenen Werkstatt von Petra und Oliver

Mitten in Hallein, im ehemaligen „Gasthaus Barmstein“, ist ein Ort entstanden, an dem nicht gekocht, sondern geformt, modelliert und Ton gebrannt wird: das Tonraum Studio. Hinter diesem Konzept stehen Petra Waltenspiel und Oliver Eschmann – zwei Menschen, deren Werdegang so zufällig wie konsequent in die Welt der Keramik geführt hat.
Vor den Vorhang: Im Gespräch mit Petra und Oliver
Was als Hobby begann, ist heute Lebensinhalt, Berufung und Mission zugleich. „Einerseits waren wir auf der Suche nach einem neuem Geschirr – und zugleich auch nach einem neuen gemeinsamen Hobby“, erinnert sich Petra. Viele ihrer früheren Leidenschaften seien irgendwann mit dem Berufsalltag kollidiert und in Vergessenheit geraten. Doch diesmal sollte es anders werden. Die Idee entstand auf einer Radtour. „Im Café 220 Grad in Salzburg haben wir einen Espresso serviert bekommen – in so einem richtig schönen Espressobecher“, erzählt sie. Ihr Partner Oliver habe dann ganz plötzlich gefragt: „Könnten wir das nicht selbst machen?“ Das war der Auslöser – oder wie Petra es nennt: „So hat das Ganze DING angefangen.“
Es folgte ein Sprung ins kalte Wasser
Was darauf folgte, war ein beherzter Sprung ins kalte Wasser – ohne Plan, aber mit viel Neugier. Oliver lacht rückblickend: „Wir haben uns damals total naiv eine billige Töpferscheibe aus China bestellt und mitten ins Wohnzimmer gestellt. Am nächsten Tag haben wir alles abgedeckt, weil es eine riesige Sauerei war. Und irgendwann hatten wir dann sogar einen Brennofen für 2.500 Euro im Keller stehen.“ Spätestens da war für beide klar: Das ist mehr als nur ein kurzer Zeitvertreib.
Keramik, die in der Spitzengastronomie landet
Petra brachte 15 Jahre Erfahrung bei der Wirtschaftskammer in der Betreuung der Gastronomie-Lehrlinge mit, Oliver ist gelernter Koch – ihre Netzwerke reichten tief in die Gastronomie.
„Ein Freund von uns hat damals eine Kochschule aufgemacht und ein Kochbuch geschrieben – dem hat das so getaugt, dass er dann unser Geschirr fürs Kochbuch hergenommen hat. Und dann hat er auch noch eine Bestellung für seine Kochschule aufgegeben. Den haben wir gleich ausstatten dürfen. Das war noch in unserem ersten halben Jahr, das war super. So sind wir ganz schnell zu weiteren Aufträgen gekommen“, erzählt Oliver.
PandO Ceramics – Keramik aus Hallein für die feine Tafel
Immer öfter durften sie Auftragsarbeiten übernehmen: Schloss Fuschl, Schloss Mönchstein oder auch das Restaurant Döllerer stehen neben viele weiteren Restaurants auf ihrer Kundenliste.
Was zunächst im Wohnzimmer begann, wurde bald zur professionellen Werkstatt PandO Ceramics in der Ederstraße in Hallein. „Wir fanden das echt lässig und in unserem Laden haben wir weiter Sachen verkauft und viele Kleinaufträge gemacht“, erzählt Oliver.
„Kann ich das auch mal ausprobieren?“
Doch da war noch mehr: Immer häufiger kamen Fragen von Kund:innen, ob sie auch Kurse anbieten würden. Petra erinnert sich an die Frage, die alles veränderte, denn 80 bis 90 Prozent haben sich erkundigt:
„Das ist so schön – kann ich das auch mal ausprobieren?“
Der Wunsch ihrer Kund:innen, selbst kreativ zu werden, war offensichtlich. Und so entstand die Idee eines offenen Studios – zugänglich, unkompliziert, einladend.
Aus dem Wirtshaus wird das Tonraum Studio
Mit dem ehemaligen Gasthaus Barmstein, das bereits fünf Jahre leer stand, bot sich die perfekte Gelegenheit. „Unsere Nachbarin hat uns von der Besitzerin Maria erzählt. Die war anfangs emotional noch sehr mit dem Gasthaus verbunden“, sagt Petra. Doch nach klärenden Gesprächen stand fest: Hier darf Neues entstehen. „Wenn wir anfangen, dann richtig. Dann kommt alles raus – und es wird kein Gasthaus mehr“, betont Oliver.
Heute ist das Tonraum Studio ein lebendiger Treffpunkt für Kreative und all jene, die sich handwerklich neu ausprobieren möchten. Es gibt 10er-Blöcke, Monatsabos, Kurse und Workshops.
Ziel ist es, sagt Petra, die Schwelle möglichst niedrig zu halten.
„Töpfern ist kein einfaches Hobby. Man braucht Infrastruktur, Platz, Technik. Bei uns findet man das – ohne sich gleich einen Ofen in den Keller bauen zu müssen.“
Keramik für jedermann: Ein Plädoyer für eine offene Szene
Zugleich kämpfen sie für einen leichteren Zugang zum Handwerk selbst. „Keramik ist in Österreich ein reglementiertes Gewerbe“, erklärt Oliver. Der Einstieg sei oft unnötig erschwert, gerade für Quereinsteiger. Die Szene sei zudem wenig offen gegenüber Hobbykeramikern: „Wir wollten uns informieren – aber es kam nur eine Buchempfehlung zurück. Mehr nicht.“ Dabei gäbe es so viel ungenutztes Talent. Petra ergänzt: „Wir brauchen keine übergeordnete Gewerbeordnung, wo es doch die Keramikerverordnung gibt, in der das Handwerk geregelt ist. Es fehlt einfach an Information und Austausch.“
Die beiden wünschen sich mehr Bildungsmöglichkeiten – etwa über das Wifi oder Schulen in Westösterreich.
„Die einzige Keramikschule in Österreich ist in Stoob im Burgenland“, sagt Oliver.
Es wäre doch großartig, wenn es auch in Westösterreich Angebote für eine Keramiker-Ausbildung gäbe. Wäre da nicht eventuell gerade mit der Steinmetzschule in Hallein eine Verbindung möglich?
Hat Hallein das Potential zur Keramikstadt?
Die Idee, Hallein zur Keramikstadt zu machen, ist vielleicht ein Traum. Doch die Geschichte passt: Schon die Kelten verwendeten Tonbehälter, um Salz zu lagern. „Und rund um Hallein, etwa am Dürrnberg, wurde sehr viel Keramik gefunden. Keramik gibt es ja seit tausenden von Jahren.“ erzählt Petra.
Die Kunst des Töpferns bei den Kelten
Im Keltenmuseum entdeckten Petra und Oliver Keramiken mit einer ausladenden Form, die anscheinend typisch keltisch waren. Sie fragten sich, warum diese Formen gewählt wurden, da sie aus praktischer Sicht wenig sinnvoll erscheinen – zumal es damals nicht um Ästhetik ging, sondern um Funktionalität. Sie vermuteten, dass diese besonderen Formen möglicherweise durch das Aufschlagen der Töpferscheibe in den Alpen beeinflusst wurden. Vielleicht wollten die Kelten damit zeigen, dass sie bereits mit der modernen Töpferscheibe arbeiteten.
Wo Ton lebendig wird – Töpfern mit allen Sinnen
Oliver: „Manche Projekte würden wir selbst nie machen – aber die Leute bringen Ideen mit, die einfach umwerfend sind.“ Die Kurse reichen von Plattentechnik bis zum Arbeiten an der Drehscheibe. Petra beschreibt es so: „Wir begleiten Schritt für Schritt. Gerade das Töpfern an der Scheibe ist technisch anspruchsvoll – aber auch sehr meditativ. Viele sagen: Ich werde dabei ganz ruhig.“ Andere spüren schnell ihre Grenzen. „Dann ist die Plattentechnik ideal – da hast du schneller ein Erfolgserlebnis.“ Besonders wichtig ist den beiden der Prozess. „Es geht nicht immer nur ums Ergebnis“, betont Oliver.
„Viele sind ganz überrascht, wie erfüllend es ist, etwas mit den Händen zu machen.“
Der Trend sei nicht neu – aber durch Corona habe sich vieles beschleunigt. Die Menschen sehnten sich nach echten Erfahrungen, nach Gemeinschaft.
„Man hilft sich, man lacht – und das ganz ohne Druck.“
Und genau das bietet das Tonraum Studio. Es ist Werkstatt, Atelier, Ort der Begegnung. „Auch stille Menschen werden schnell gesprächig. Sind sie vielleicht zu Beginn noch etwas zurückgezogen, spätestens nach einer Viertelstunde geht das „Kudern“ und „Gackern“ los und man hilft sich gegenseitig“, erzählt Petra. Für Oliver ist klar: „Wir möchten zeigen, dass jeder Töpfern kann. Es braucht nur ein bisschen Offenheit. Und vielleicht die richtige Espressotasse zur Inspiration.“
Töpfern im Urlaub – Souvenirs mit persönlicher Handschrift
Auf die Frage, inwieweit sich auch Urlaubsgäste für einen Kurs im Studio begeistern lassen, erklärt Oliver, dass das durchaus möglich sei – auch wenn die fertigen Stücke in den meisten Fällen erst im Nachhinein per Post zugeschickt werden können.
Besonders charmant fände er es, ein Angebot zu entwickeln, das thematisch zu Hallein passe. Ein dreistündiger Töpferkurs sei gut machbar, bei dem beispielsweise ein Bierkrug oder ein Salzfass geformt und bemalt werde – beides Motive, die stark mit Hallein verbunden sind. „Die Kunden gestalten ihr Stück bei uns selbst, wir übernehmen anschließend das Brennen und Glasieren und schicken es ihnen dann zu.“
Auch Petra ergänzt, dass es bereits Zulauf aus den umliegenden Rehazentren wie Bad Vigaun und Bad Dürrnberg gebe. „Die bleiben meist drei Wochen – da geht sich das zeitlich super aus“, sagt sie.
Wer Interesse hat, könne sich jederzeit direkt bei den beiden melden – die Idee steht und die Türen des Studios sind offen.
„Jetzt bin ich ein Halleiner“ – Heimatgefühl
Auf die Frage, was sie an Hallein besonders inspiriere, muss Oliver nicht lange überlegen. Die Offenheit der Menschen, die kleinen Gassen, das Flair der Innenstadt und die Nähe zur Natur – all das mache für ihn die besondere Atmosphäre aus. Er erzählt, dass es ihm früher schwer gefallen sei, in Salzburg Anschluss zu finden. Er lebt als Deutscher schon über 20 Jahre in Österreich. In Hallein aber habe er innerhalb kurzer Zeit viele herzliche Menschen kennengelernt. Gemeinsam mit Petra habe er hier nicht nur ein neues Zuhause, sondern auch eine starke Gemeinschaft gefunden. „Ich habe mich in Österreich nie so richtig zuhause gefühlt – aber jetzt bin ich ein Halleiner. Is mir wurscht – das hier ist jetzt mein Zuhause.“
Wo Ton verbindet
Was Petra und Oliver in ihrem Tonraum Studio schaffen, ist weit mehr als Ton und Glasur – es ist ein Ort der Begegnung, der Konzentration und der Wertschätzung. Wer bei ihnen töpfert, nimmt nicht nur ein handgemachtes Werkstück mit nach Hause, sondern auch eine Erfahrung, die berührt und entschleunigt.
Tonraum Studio Hallein
Bräuerstraße 13
5400 Hallein
Web: www.tonraum.studio
E-Mail: hello@tonraum.studio
Tel: +43 664 205 330 5
Vor den Vorhang: Petra und Oliver vom Tonraum Studio
Vielen Dank an Petra Waltenschmid und Oliver Eschmann für das inspirierende Gespräch. Ihre Begeisterung für das gemeinsame Tun, die Wertschätzung gegenüber den Kund:innen sowie die Offenheit für Neues zeigen eindrucksvoll, wie viel Kraft im kleinen handwerklichen Tun steckt. Wer im Tonraum Studio mitmacht, lernt nicht nur neue Fertigkeiten, sondern findet auch einen wertvollen Ausgleich zum oft hektischen Alltag – fast wie eine kleine Auszeit in der Natur.
Fotocredits: © Tonraum Studio, Melanie Deisl